Das Baby ist endlich da! Die Geburt ist gemeistert und sogleich geht es weiter mit den neuen Herausforderungen im Wochenbett. Das Stillen nimmt dabei einen großen Teil ein und es bedarf an reichlich Motivation und etwas Durchhaltevermögen, bis sich alles eingespielt hat. Alles ist neu und vielleicht noch ein wenig holprig: Das Handling beim Anlegen, die Brüste sind prall und spannen wie nie zuvor beim Milcheinschuss, Milch läuft aus und klebt überall, und womöglich sind auch noch die Brustwarzen wund?
Studien haben gezeigt, dass es bei stillenden Frauen im Frühwochenbett sehr häufig zu wunden und schmerzenden Brustwarzen kommt. Meist erreicht diese Problematik zwischen dem 4. und 7. Tag nach der Geburt seinen Höhepunkt. Wunde Mamillen – so der Fachausdruck für Brustwarzen – und Schmerzen haben sowohl einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden der frischgebackenen Mutter als auch auf das Stillen. Folglich stellt diese Komplikation einen der häufigsten Gründe für vorzeitiges Abstillen dar.
Deshalb möchten wir hier Tipps und vorbeugende und unterstützende Maßnahmen nennen.
Wie können überhaupt wunde und verletzte Brustwarzen entstehen?
Nicht korrektes Anlegen
Wunde Brustwarzen entstehen häufig in den ersten Wochen im Frühwochenbett, als normale Reaktion auf ein noch ungewohntes, aber regelmäßiges und kräftiges Saugen des Babys an der Brust. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Wundsein auch durch andere Faktoren entstehen kann, die du unbedingt beachten solltest. Ein Grund könnte „falsches“ Saugen an der Brust sein. Denn, wenn dein Baby die Brustwarze nicht weit genug im Mund hat und die Mamillenspitze nicht hinten beim weichen Gaumen (auch „Komfortzone“ genannt) zum Liegen kommt, kann diese beim harten Gaumen reiben und eine Wunde entstehen lassen. Daher ist es sehr wichtig, dass dein Baby die Brustwarze weit im Mund hat, sodass man den Warzenvorhof kaum sieht und dein Baby eine Art Fischmund mit nach außen gestülpten Lippen macht. Um dies korrekt einschätzen zu können, lasse dich auf jeden Fall in der Klinik, von deiner Hebamme oder Stillberater*in beraten, ob dein Baby korrekt an der Brust saugt.
Zungenbändchen und Kieferspannung
Außer Acht sollte ebenso nicht gelassen werden, dass dein Baby die Brust womöglich nicht so gut fassen und so weit einnehmen kann, wenn es ein kurzes Zungen- oder Lippenband hat. Dafür sollte ein Kinderarzt oder die Hebamme den Mund deines Babys inspizieren und ein mögliches Zungen- oder Lippenband beurteilen. Ist dies vorhanden, so könnte es schmerzfrei von einer*einem Kinderärzt*in durchtrennt werden. Weiters können Verspannungen im Kiefer zu nicht korrektem, angespanntem Saugen und einer Überbeanspruchung führen. Ist dies die Ursache, so sollte der Säugling von einer*einem Logogäd*in oder Osteopath*in behandelt werden.
Falsche Größe von Stillhütchen oder Pumptrichter
Ein falscher Mythos ist, dass ein Stillhütchen vor wunden Brustwarzen schützen kann. Eine unangenehme Reibung kann nämlich auch durch eine falsche Größe des Stillhütchens zu Stande kommen. Sind die Stillhütchen beispielsweise zu klein, so wird die Brustwarze im Hütchen zusammengedrückt und eine gute Durchblutung verhindert- sind sie zu groß, so reibt das Silikon an der Mamille. Deshalb bitte immer auf die richtige Größe bei der Notwendigkeit von Stillhütchen achten! Das gleiche Prinzip gilt auch, wenn man mit einer Milchpumpe Muttermilch abpumpt: Es muss auf die richtige Größe des Brusttrichters geachtet werden.
Sehr pralle Brüste oder flache Brustwarzen
Gerade in der ersten Woche nach der Geburt kann es aber auch sein, dass die Brust durch den Milcheinschuss sehr voll und prall ist und dein Baby dadurch die Brustwarze nicht gut fassen kann. Hier kann es hilfreich sein, die Brust vorher zu massieren und auszustreichen, verschiedene Stillpositionen auszuprobieren und im Zweifelsfall nach fachlicher Beratung Stillhütchen (in passender Größe) zu verwenden. Auch eine sehr flache oder eingezogene Mamille kann das Baby womöglich nicht sehr gut fassen und ein Stillhütchen kann vorübergehend notwendig sein.
Infektion
Ein Grund für anhaltende wunde Brustwarzen kann aber auch eine Infektion, Pilzinfektion oder Brustentzündung sein, welche individuell mit Hilfe von Ärzt*innen behandelt werden sollte.
Zahnbildung
In der späteren Stillzeit können wunde Mamillen durch unachtsames Anlegen oder Zähne entstehen. Hierfür sollte die Stillsituation individuell von einer Fachperson begutachtet werden.
Was du vorbeugend machen kannst
Wenn du schon vorab ein paar Dinge beachtest und deine Brustwarzen gut pflegst, kannst du das Risiko für eine Wundentstehung verringern.
- Pflege deine Brustwarzen bereits am Ende der Schwangerschaft mit Wollfett (Lanolin). Wenn das Baby da ist, kannst du gerne zusätzlich auch Produkte wie Heilwolle, kühlende Kompressen oder Silberhütchen (unser Favorit) verwenden
- Achte bereits von Beginn an auf korrektes Anlegen und lasse immer wieder eine Fachperson begutachten, ob dein Baby die Brustwarze gut im Mund hat und korrekt saugt
- Mach es dir bequem
- Dein Baby sollte Bauch an Bauch zu dir liegen
- Der kindliche Kopf sollte leicht nach hinten geneigt sein
- Die Mamille sollte weit im Mund sein, sodass man kaum den Warzenvorhof sieht
- Die Lippen sollten nach außen gestülpt sein
- Die ersten paar Saugbewegungen dürfen in der ersten Zeit unangenehm sein, nach etwa 3 tiefen Atemzügen sollten aber keine Schmerzen mehr auftreten
- Treten Schmerzen auf, so sollte das Baby abgedockt und neu angelegt werden
- Wechsle immer wieder die Stillposition, um die Brust von allen Seiten gut zu entleeren und die Brustwarzen zu entlasten
- Hygiene: wasche dir regelmäßig vor dem Stillen die Hände und wechsle/ wasche die Stilleinlagen häufig
- Lasse nach dem Stillen einen Tropfen Muttermilch auf der Mamille an der Luft eintrocknen und lüfte auch zwischendurch immer wieder die Brust
- Unser Tipp: organisiere bereits in der Schwangerschaft eine Hebamme, die im Wochenbett dann regelmäßig zu dir nach Hause kommt und dich beim Stillen unterstützt!
Was dir bei wunden und verletzten Brustwarzen helfen kann
- Fachliche Unterstützung: Lass dich unbedingt von einer Fachperson (Hebamme oder Stillberater*in) unterstützen und beraten, um die Ursache herauszufinden und individuelle Maßnahmen zu besprechen. Es gilt dabei: umso früher, umso besser!
- Fachliche Begutachtung: Lass auch dein Baby in Bezug auf ein Zungen- oder Lippenbändchen und Kieferverspannungen untersuchen (Hebamme, Kinderärzt*in, Logopäd*in, Osteopath*in)
- Korrektes Anlegen: Achte auf korrektes Anlegen, auch wenn die Brustwarzen womöglich gerade schmerzen, ist es wichtiger denn je, dass dein Baby die Brustwarze weit in den Mund nimmt.
- Stillpositionen: Wechsle die Stillposition regelmäßig, um die Brustwarzen zu entlasten.
- Stillhütchen: verwende eventuell vorübergehend Stillhütchen oder mache eine Stillpause nach fachlicher Absprache und füttere die Muttermilch über stillfreundliche Methoden zu.
- Hygiene: reinige die Brustwarzen regelmäßig mit Wasser, Kochsalzlösung oder Schleimhautdesinfektionsmittel.
- Schmerzen: Du musst nicht Zähne zusammenbeißen und durchhalten- nimm gerne zusätzlich auch Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol.
- Infektion: Bei infizierten Mamillen ist eine Therapie mit Antibiotika notwendig.
- Blutige Mamillen: Du darfst und sollst auch mit wunden oder blutigen Brustwarzen stillen. Korrektes Anlegen verschlimmert das Wundsein nicht.
- Unterstützende pflegende Maßnahmen:
- Feuchte Wundbehandlung kann den Heilungsprozess unterstützen: Lanolin Salbe dick auftragen.
- Luft: regelmäßig zuhause den Oberkörper frei lassen.
- Brust- Donuts: Diese ringförmigen Hilfsmittel lassen Luft zur Brust und verhindern eine Reibung an der Stilleinlage oder am Stoff.
- Stilleinlagen aus Seide sind weich und hautfreundlich.
- Lasertherapie: Lasertherapie kann die Heilung ebenso effektiv unterstützen.
- Es gibt noch weitere Hausmittelchen, Salben und Auflagen, welche jedoch bisher wissenschaftlich in ihrer Wirkung nicht belegt wurden: Hydrogel Pads, Silberhütchen, Eichenrindenextrakt, Teekompressen, Heilungskompressen, uvm. Diese sollten individuell mit der beratenden Fachperson abgesprochen werden.
Vorbeugende Maßnahmen, regelmäßige Inspektion und Beratung durch Fachpersonen können dieses häufige Problem verhindern oder schnell erkennen.
Mit Hilfe von fachlicher Unterstützung und richtiger Behandlung heilen wunde Brustwarzen rasch. Daher beachte bitte frühzeitig nach Hilfe zu suchen, und konsequent die besprochenen Maßnahmen durchzuführen.
Halte durch, lass dich unterstützen und nimm gerne für ein paar Tage Schmerzmittel ein. Auch wenn es nicht gleich vorstellbar ist, eine Heilung tritt rascher ein, als man denkt. Auch Studien beweisen dies: Einer australischen Studie nach gaben 62,9% der Frauen verletzte und wunde Brustwarzen in den ersten Stilltagen an, wobei 57% der Frauen bereits nach durchschnittlich 18 Tagen eine Besserung verzeichnen konnten.
Unsere Gast-Autorinnen
Esther und Sophie sind zwei Hebammen aus Österreich. Die gemeinsame Arbeit und Zeit in einer Wiener Klinik hat die beiden so sehr verbunden, dass aus Kolleginnen gute Freundinnen wurden. Anlässlich der Corona Pandemie und dem Umzug von Esther nach Linz, haben die beiden beschlossen, einen kompakten, aber umfangreichen online Geburtsvorbereitungskurs für werdende Eltern zu entwickeln und aufzunehmen.
Während Esther derzeit in einer Linzer Klinik zwischen Kreißsaal, Wochenbett und Ambulanz wechselt und auch Mama eines kleinen Sohnes ist, arbeitet Sophie noch im gleichen Krankenhaus in Wien im Kreißsaal und der Ambulanz, und studiert nebenher „Public Health“. Die beiden sind auch freiberuflich in der Schwangerenvorsorge und Wochenbettnachsorge in ihrer jeweiligen Umgebung tätig.
Die beiden Hebammen sind auch auf Instagram mit ihrem Account _informed.motherhood_ unterwegs, und ihren online Geburtsvorbereitungskurs findet ihr unter www.informed-motherhood.at.