Roses Revolution – für eine sichere Geburtshilfe

Am 25. November, am internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, legen Betroffene an den Orten, an denen sie Gewalt während der Geburt, in der Schwangerschaft oder im Wochenbett erlebten, einen Brief und eine Rose nieder, um ein Zeichen für würdevolle Geburtsbegleitung zu setzen. Diese Bewegung nennt sich Roses Revolution und ist eine friedliche Revolution gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe. Jede Rose steht dabei als Symbol für das Leid der Betroffenen, für ihre Geschichte und ihre Verletzlichkeit. Roses Revolution verfolgt das Ziel, den betroffenen Frauen, Müttern, Familien und Geburtshelferinnen eine Stimme zu geben: Für eine menschenwürdige und sichere Geburtshilfe.

Gewalt in Geburtskliniken: Ein tabuisiertes Thema mit weitreichenden Folgen

Die (Bauch)- Geburt sollte ein Moment des Neubeginns und der Freude sein, aber für betroffene Frauen ist die Geburt in einem Krankenhaus oder einer Geburtsklinik mit physischen und emotionalen Traumata verbunden. Gewalt in Geburtskliniken ist ein Thema, das in vielen Teilen der Welt oft übersehen wird oder ein Tabu ist, doch immer mehr Frauen und Fachleute machen sich für diese Problematik stark.

  1. Was ist Gewalt in der Geburtshilfe?

Der Begriff “Gewalt in der Geburtshilfe” beschreibt alles, was die Selbstbestimmung und Integrität der betroffenen Frau nicht wahrt. Dazu zählen beispielsweise:

  • Physische Gewalt: Da bei der Geburt zwei Menschen (werdende Mutter und das Neugeborene) beteiligt sind, werden Entscheidungen immer auf Basis der Gesundheit beider Lebewesen getroffen – so kann in manchen Fällen während einer Geburt schlecht kommuniziert werden, ein Einverständnis für eine bestimmte Maßnahme nicht eingeholt werden oder über die Folgen eines Eingriffes nicht ausreichend aufgeklärt werden. „Das bisschen auf den Bauch drücken“ oder „Fixieren der Beine bei der Geburt“ wird vielleicht nicht durch jede Frau gleich beurteilt, sind aber dennoch ohne Einverständnis Akte physischer Gewalt und werden von Klinikpersonal aber häufig als Routinen angesehen.

  • Psychische Gewalt: Sprache, Nonverbale Kommunikation, fehlende Kommunikation oder Sprachbarriere können dazu führen, dass Entscheidungen ohne ausführliche Aufklärung getroffen werden, was ein Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins hervorrufen kann. Worte wie „Stell dich nicht so an“ oder „So wird das ja nie was“ können da schon mal tief sitzen bleiben

·       Intimität: Bei einer Geburt und auch einem Kaiserschnitt, handelt es sich um einen sehr intimen Bereich des Körpers und auch eine intensive Öffnung auf emotionaler Ebene- dies sollte jeder Betreuungsperson zu jedem Zeitpunkt bewusst sein und auch der Fokus in der Arbeit darauf liegen um die Intimität zu wahren.

·       Vernachlässigung: Unzureichende Betreuung, etwa das Ignorieren von Schmerzsymptomen oder das Fehlen notwendiger medizinischer Hilfe, wenn diese benötigt wird, zum Beispiel auf Grund eines Personalmangels, können zu Traumata führen. Darum empfehlen die aktuellen Leitlinien zur Betreuung unter der Geburt eine 1:1 Betreuung!

Ursachen für Gewalt in der Geburtshilfe

Die Ursachen für Gewalt in der Geburtshilfe sind vielfältig. Ein zentrales Problem ist die Struktur vieler Gesundheitssysteme, die den Fokus auf Effizienz und schnelle Abläufe legt, anstatt auf eine individuelle, einfühlsame Betreuung. Dabei spielt die Hierarchie in vielen Geburtskliniken eine Rolle: Ärzt*innen und Pflegepersonal haben oft mehr Macht als die Frauen, die gebären. Es wäre jedoch das zentrale Ziel, dass die Patientin im Mittelpunkt aller Handlungen und Entscheidungen steht und alle voller Empathie und Aufmerksamkeit handeln und kommunizieren.

Routinen: Wie bei jedem Menschen am Arbeitsplatz, kommt auch Klinikpersonal in eine gewisse Routine, in der man manche Handlungen und Vorgänge als alltäglich angesehen werden. Der Begriff dafür wäre Betriebsblindheit.

Mangelnde Schulung und Sensibilisierung: In vielen Ländern gibt es nicht genügend Schulungen, die das Personal für die Risiken von Gewalt in der Geburtshilfe sensibilisieren. Zwar wird die medizinische Ausbildung intensiviert, aber der Umgang mit psychologischen und kommunikativen Aspekten der Geburt und die Bedeutung von Einfühlungsvermögen werden häufig vernachlässigt.

Fehlende Ressourcen: Überlastung der Geburtsstationen, Zeitdruck und Personalmangel sind ebenfalls Ursachen, die dazu beitragen können, dass das medizinische Personal ungeduldig oder rücksichtslos wird oder schlicht und weg keine Zeit hat.

Die Auswirkungen von Gewalt in der Geburtshilfe

Die physischen und psychischen Auswirkungen von Gewalt während der Geburt können dramatisch und langfristig sein. Betroffene Frauen leiden häufig unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Angststörungen oder Depressionen. Ein negatives Geburtserlebnis kann das Vertrauen in medizinische Einrichtungen nachhaltig erschüttern und die Bereitschaft verringern, bei zukünftigen Geburten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Frauen berichten auch von einem Verlust des Körpergefühls und einer erschwerten Beziehung zu ihrem eigenen Kind, wenn das Geburtserlebnis von Gewalt überschattet wird.

Wege aus der Gewaltspirale

Die Bekämpfung von Gewalt in der Geburtshilfe erfordert einen systemischen Wandel. Es reicht nicht aus, einzelne Fälle von Misshandlung zu verurteilen, sondern es müssen tiefgreifende Änderungen in den Gesundheitsstrukturen und im Umgang mit Gebärenden erfolgen. Wichtige Schritte umfassen:

Bessere Ausbildung des Personals: Fachkräfte sollten in ihrer Ausbildung auch auf die Bedeutung von Respekt, Einfühlungsvermögen und die Rechte der Gebärenden hingewiesen werden. Schulungen zur Vermeidung von Gewalt und zur Förderung einer sicheren, respektvollen Umgebung sind entscheidend.

Stärkung der Rechte der Gebärenden: Frauen sollten über ihre Rechte während der Geburt umfassend informiert werden. Das bedeutet auch, dass sie das Recht haben, Entscheidungen zu treffen, die ihre Geburt betreffen – sei es in Bezug auf Schmerzmittel, medizinische Eingriffe oder die Geburtsposition.

Förderung einer Kultur des Respekts: Es muss ein kultureller Wandel hin zu einer menschenwürdigen, respektvollen Geburtshilfe erfolgen, bei der die Gebärende als aktive Mitgestalterin ihrer eigenen Geburt wahrgenommen wird.

Zugang zu psychologischer Unterstützung: Nach traumatischen Geburtserfahrungen sollte psychologische Betreuung angeboten werden, um den betroffenen Frauen zu helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten und mögliche psychische Erkrankungen zu behandeln.

  1. Du hast eine traumatische Geburt erlebt?

·      Suche so bald als möglich das Gespräch mit dem Klinikpersonal, wie Hebammen oder Ärzt*innen. Dabei solltest du deine Sichtweise schildern können und dir auch die Sicht der Handelnden und deren Umstände anhören.

·      Rede über deine Belastungen und Sorgen in deinem sozialen Umfeld- mit Familie und Freuen.

·      Lass dich fachlich, psychologisch unterstützen. Mittlerweile leiden zwischen bis zu 20% der Frauen an psychischen Erkrankungen rund um die Geburt- du bist nicht die Einzige! Hol dir besser frühzeitig Hilfe und arbeite deine Erfahrungen auf.

·      Geht es um rechtliche Angelegenheiten, so gibt es auch die Möglichkeit sich an die Patientenanwaltschaft zu wenden.

·      Schreibe gerne deine Geburtsgeschichte- dein Erlebtes- nieder.

·      Lege gerne eine (symbolische) Rose am Roses- Revolution Day nieder.

·      Achtung! Auch Partner*innen oder Begleitpersonen können von Geburten und übergrifflichen Handlungen traumatisiert sein. Sprecht darüber!

 

In Österreich arbeiten Hebammen nach einem einheitlichen Ethikkodex. Die Berufsgruppe der Hebammen in Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, die gesundheitliche Versorgung von Frauen, Säuglingen und Familien vor, während und nach der Geburt eines Kindes und während der gesamten reproduktiven Phase der Frau zu gewährleisten. Diese Gewährleistung erfordert neben den Kompetenzen der einzelnen Hebamme die Erhaltung und Weiterentwicklung des Hebammenwesens. Der Ethik-Kodex bezieht sich auf Hebammen und werdende Hebammen in Österreich gleichermaßen.

Im Einklang mit diesem Ziel dient der Ethik-Kodex als Orientierung für Ausbildung, Berufsausübung und wissenschaftliches Arbeiten der Hebammen. Der Ethik-Kodex basiert auf der Anerkennung der Würde eines jeden Menschen und strebt das Einhalten von Menschenrechten, Selbstbestimmung und Gleichheit im Gesundheitswesen an. Er beruht auf gegenseitigem Respekt. Der Kodex beschreibt das ethische Handeln der Hebamme und werdenden Hebamme in Bezug auf die Erfüllung ihrer Aufgaben, um die Gesundheit und das Wohlergehen von Frauen und Neugeborenen in ihren Familien und ihrer Umgebung zu fördern.

Dies beinhaltet auch die Beziehung von Hebammen zu Menschen in ihrem beruflichen Umfeld, die Art der Ausübung von Geburtshilfe, das Achten und Wahren beruflicher Verantwortlichkeiten und die Berücksichtigung von Berufspflichten, um die Integrität ihres Berufs zu sichern.

 

 

 

Unsere Gast-Autorinnen

Esther und Sophie sind zwei Hebammen aus Österreich. Die gemeinsame Arbeit und Zeit in einer Wiener Klinik hat die beiden so sehr verbunden, dass aus Kolleginnen gute Freundinnen wurden. Anlässlich der Corona Pandemie und dem Umzug von Esther nach Linz, haben die beiden beschlossen, einen kompakten, aber umfangreichen online Geburtsvorbereitungskurs für werdende Eltern zu entwickeln und aufzunehmen.

Während Esther derzeit in einer Linzer Klinik zwischen Kreißsaal, Wochenbett und Ambulanz wechselt und auch Mama eines kleinen Sohnes ist, arbeitet Sophie noch im gleichen Krankenhaus in Wien im Kreißsaal und der Ambulanz, und studiert nebenher „Public Health“. Die beiden sind auch freiberuflich in der Schwangerenvorsorge und Wochenbettnachsorge in ihrer jeweiligen Umgebung tätig.

Die beiden Hebammen sind auch auf Instagram mit ihrem Account _informed.motherhood_ unterwegs, und ihren online Geburtsvorbereitungskurs findet ihr unter www.informed-motherhood.at.

 

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