Doula – deine ganz individuelle Geburtsbegleitung

Du bist schwanger und auf einmal schießen dir tausend Fragen durch den Kopf. Ängste, Sorgen, Zweifel. Oder du weißt schon ganz genau, wie deine Schwangerschaft und Geburt ablaufen sollen. Hast dich schon lange davor mit dem Thema beschäftigt, bist sehr klar. Es kann aber auch sein, dass du bereits eine oder mehrere Geburten hinter dir hast, die für dich nicht so schön abgelaufen sind. Dass du genau jetzt jemandem zum Reden brauchst, der dir zuhört und dich versteht, ohne dich und deine Situation zu bewerten. Vielleicht kommen auch Ängste vor der bevorstehenden Geburt hoch und bestimmen deine Gedanken.

 

Erkennst du dich irgendwo wieder? Es gibt so unendlich viele verschiedene Schwangerschaften und Voraussetzungen wie es eben Schwangere gibt. Doch neben Hebamme (um die du dich wirklich früh kümmern solltest, um mit Glück überhaupt noch eine zu finden) und Gynäkolog:in gibt es noch jemanden, der dir während dieser sensiblen Zeit zur Seite stehen kann: eine Doula, auch Geburtsbegleiterin genannt. Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet der Begriff Doula „Dienerin der Frau“. Doch das wird ihr gar nicht gerecht, denn sie ist noch so viel mehr als das. Sie ist deine Vertraute auf Zeit, Raumhalterin, Unterstützerin. Sie ist das Sprachrohr zwischen dir und dem geburtshilflichen Personal – und zwar in beide Richtungen. Sie ist aber auch einfach eine „Mutter“. Jemand, der dich „be-muttert“, der dich zum Beispiel nach der Geburt mit nährendem Essen versorgt und jemand, der dich im wahrsten Sinne des Wortes hält. Ob im Arm oder fern vor fremden Blicken – das entscheidest ganz allein du!

 

Der Doula-Begriff in der medizinischen Fachliteratur

Ursprünglich war eine Doula übrigens wirklich „nur“ eine Mutter mit einer eigenen positiven Geburtserfahrung. Erstmals in der medizinischen Fachliteratur erwähnt wurde der Begriff Doula in den 1960er Jahren. Damals fanden die US-amerikanischen Wissenschaftler Marshall Klaus und John H. Kennell heraus, dass die kontinuierliche Begleitung einer geburtserfahrenen Frau die Geburt positiv beeinflusst. Beispielsweise verringerte sich die Kaiserschnittrate signifikant. Weitere Erkenntnisse der Studie waren:

  • eine Verkürzung der Geburtsdauer um 25 Prozent

  • eine Reduzierung der Oxytocinverabreichung um 40 Prozent

  • eine Verringerung des Bedarfs an medikamentöser Schmerzbekämpfung um 30 Prozent

  • 41 Prozent weniger Risiko einer Zangen- oder Saugglockengeburt.

Diese Ergebnisse sprechen für sich. Es ist wichtig, zu betonen, dass der Begriff Doula somit einen wissenschaftlich anerkannten Ursprung hat und kein „Hokuspokus“ ist! Die Ergebnisse wurden in mehreren Studien bestätigt, darunter auch eine Cochrane-Übersichtsarbeit, die die Vorteile der kontinuierlichen Geburtsunterstützung hervorhebt. Hier würde ich gern einen Satz aus der Cochrane-Literaturübersicht zitieren: „Wir kommen zu dem Schluss, dass alle Frauen während der Wehen kontinuierlich unterstützt werden sollten. Die kontinuierliche Unterstützung durch eine Person, die nur zur Unterstützung anwesend ist, nicht zum sozialen Netzwerk der Frau gehört, Erfahrung in der Geburtshilfe hat und zumindest ein wenig geschult ist, scheint am vorteilhaftesten zu sein.“

 

Auch eine ganz aktuelle US-Studie mit über 17.000 Geburten hat unter anderem gezeigt:

  • Schwangere mit einer Doula-Begleitung erlebten seltener eine Frühgeburt (7,2 Prozent versus 10,8 Prozent)

  • Schwangere mit einer Doula-Begleitung hatten häufiger eine Spontangeburt nach Kaiserschnitt (34,4 Prozent versus 18,8 Prozent).

Du kannst Geburt!

Nun aber genug mit Zahlen, Daten und Fakten. Denn eines solltest du dir ganz schnell merken – spätestens sobald du schwanger bist: Sie sind immer nur Werte und letztlich bist immer du deine eigene Statistik. Und dein Ur-Wissen und dein Bauchgefühl sind ebenso wichtig und richtig. Wenn du Schwierigkeiten hast, beidem zu vertrauen und zu folgen, kann eine Doula dir dabei helfen. Denn als nicht-medizinische Unterstützung hat sie den emotionalen und seelischen Aspekt im Fokus. Sie bestärkt dich in deiner Kraft und macht dir Mut. Sie ist ausgebildet in Geburtswissen und natürlicher Schmerzlinderung und zeigt dir alternative Wege auf, die du gehen kannst.

 

Wobei eine Doula dich unterstützen kann

Klinik, Geburtshaus, Hausgeburt? Während der Schwangerschaft kannst du dich mit deiner Doula treffen, um für dich wichtige Themen zu besprechen, einen Geburtsplan zu erstellen oder auch, um gemeinsam Entspannungsübungen zu machen. Sie unterstützt dich, deinen ganz individuellen Weg zu gehen. Sie tut das neutral und unabhängig. Auch beeinflusst eine gute Doula dich niemals in deinen Entscheidungen, sondern zeigt dir immer nur deine Möglichkeiten auf. Denn eine Wahl hast du (fast) immer! Zum Beispiel, wenn es darum geht, ob du einer bestimmten Untersuchung zustimmen sollst oder eben nicht. Hierbei ist vollumfängliche Aufklärung essentiell und dort, wo deine Doula an ihre Grenzen kommt, sollte sie an Fachpersonal weiterverweisen. Denn in der Regel verfügt sie über ein einschlägiges Netzwerk und kennt Hebammen, Ärzt:innen oder Beratungsstellen.

 

Doula-Support auch nach negativer Geburtserfahrung

Gewalt in der Geburtshilfe ist leider kein Einzelfall. Doch auch nach einer belastenden Geburtserfahrung kannst du dich an eine Doula wenden. Es gibt Doulas, die Mütter nach schwierigen Geburtserfahrungen begleiten und die Maßnahmen kennen, das Erlebte zu bearbeiten und anzugehen. Dies ist besonders, aber nicht nur dann, wichtig, wenn du erneut schwanger wirst. Denn spätestens dann kommen negative Erlebnisse erfahrungsgemäß wieder hoch. Doch es gibt Strategien, um sie zu bewältigen und um neuen Mutes und kraftvoll in die nächste Geburt zu gehen. Es ist also nie zu spät, sich die eigenen dunklen Themen genauer anzusehen. Auch nach Jahren ist das noch möglich. Ebenso für dein Baby sowie eure Beziehung zueinander hat eine negative Erfahrung oftmals Folgen. Mit Hilfe des Babyheilbads gibt es die Möglichkeit, das Geburtserlebnis noch einmal zu durchleben – nur dieses Mal positiv. Dies kann tiefen Wunden dabei helfen, zu heilen. Eine Doula kann dies gemeinsam mit euch durchführen.

 

Jede Geburt verdient eine gute Begleitung: Fehlgeburt / Totgeburt

Ein besonderes Augenmerk hat die Begleitung von Kleinen und Stillen Geburten ( Fehl- bzw. Totgeburten) verdient. Viele Frauen wissen nicht, dass sie z.B. bei einer sogenannten “Kleinen Geburt” ebenso ein Recht auf Hebammenbetreuung haben. Gleichwohl ist es ja bereits unter „normalen“ Umständen eine Herausforderung, eine Hebamme zu finden. Auch hier kannst du auf eine Doula zurückgreifen, die dich in dieser herausfordernden und traurigen Zeit begleitet und dich über deine Möglichkeiten aufklärt. Das beginnt damit, welche Utensilien du zu Hause bereit haben solltest und geht über die Aufklärung deiner Rechte (z.B., dass du dein Baby auch mit nach Hause nehmen darfst, dass es Kühlbettchen gibt oder, wie die Bestattungspflicht im jeweiligen Bundesland aussieht) bis hin zum mentalen Beistand teils über mehrere Wochen. Sie organisiert für dich ggf. eine:n Sternenfotograf:in und spendet dir Trost und ein offenes Ohr. Es ist gut zu wissen: Du musst durch dieser schwere Zeit nicht alleine durch.

 

Mama Blessing, Frauenkreise und Co.: eine Doula als Raumhalterin

Neben den Treffen in der Schwangerschaft, der Eins-zu-Eins-Begleitung unter der Geburt und der Besuche danach, bieten Doulas oftmals auch Mama Blessings sowie Frauenkreise an. Das Mama Blessing ist abgeleitet vom Blessingway der nordamerikanischen Ureinwohner Navajos und ist ein Ritual, um die Schwangere zu ehren. Im Kreise ihrer engsten weiblichen Vertrauten überbringen diese ihr Segenswünsche und feiern die urweibliche Kraft der Schwangeren. Frauenkreise wiederum bieten Raum für Austausch, Zeit mit Gleichgesinnten und schenken Kraft und positive Energie.

 

Nach der Geburt und nach Abklingen des Wochenflusses bieten viele Doulas das Closing Ritual an. Hierbei wird die Mutter körperlich, energetisch und seelisch „geschlossen“, in dem sie unter anderem in Tücher eingewickelt wird. Dieses Ritual ist sehr wohltuend und markiert einen Abschluss im Übergangsritus von der Frau, die sie vor der Geburt war und derjenigen, die sie heute ist.

 

Doula-Arbeit: mit der Frau, für die Frau

Hand in Hand für die Gebärende: Eine Doula ist in unserem Geburtshilfesystem ein wichtiges Puzzlestück in der Begleitung von Schwangeren, Gebärenden und Müttern. Sie ist Ergänzung zur Hebamme und Ärzt:in. Sie grenzt sich dadurch ab, dass sie nicht zum medizinischen Fachpersonal zählt und dadurch, dass sie komplett unabhängig arbeitet. Behandlungsempfehlungen spricht sie nicht aus; sie bestärkt die Frau vielmehr darin, sich in solchen Fällen mit einer Hebamme oder ggf. Ärzt:in zu besprechen. Gleichzeitig entlastet sie die ohnehin größtenteils überlasteten Hebammen durch ihre Arbeit. Das kann die wertvolle Eins-zu-Eins-Betreuung unter der Geburt sein, wenn die Geburtsstation mal wieder komplett überlastet ist. Das kann auch einfach mal ein Glas Wasser sein, das sie der Hebamme während deren Dokumentation der Geburt reicht. Letztlich sollte es, so verstehe ich meine Arbeit, für eine Doula immer darum gehen, die Wünsche und Belange der Schwangeren zu schützen und zu unterstützen, sie in ihrer Kraft zu bestärken und dabei das bestmögliche Outcome für Mutter und Kind im Blick zu haben. Egal, mit welchen Voraussetzungen eine Frau den Weg zu einer Doula findet.

 

 

Über die Autorin

Jasmin ist Geburtsbegleiterin und unterstützt Familien in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Sie ist selbst vierfache Mutter. Ihre Mission sieht sie darin, Schwangere in ihrer ureigenen Kraft zu bestärken und sie auf eine selbstwirksame Geburt vorzubereiten. Aus ihrer Arbeit weiß sie, dass potenziell jede Frau ein Trauma in sich trägt und legt daher großes Augenmerk darauf, traumasensibel, respektvoll und achtsam zu arbeiten. Sie begleitet zudem auch Kleine und Stille Geburten. Mehr zu Jasmin findest du auf www.doula-jasmin-hamburg.de oder auf Instagram unter: @‌doula_jasmin_hamburg

 

Vorheriger Beitrag
Hämorrhoiden in der Schwangerschaft

Ähnliche Beiträge

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.