Jede Schwangerschaft bringt Hoffnung, Freude und Erwartungen mit sich. Doch wenn sie plötzlich endet, hinterlässt das nicht nur körperliche, sondern auch seelische Wunden. Eine Fehlgeburt (auch häufig als „Schwangerschaftsverlust“ bezeichnet) ist ein schmerzhafter Verlust, der viele Menschen betrifft, aber nach wie vor als Tabuthema gilt. In diesem Beitrag möchte ich als Hebamme auf dieses wichtige Thema aufmerksam, medizinische Fakten erläutern und Betroffenen Mut machen.
Was ist eine Fehlgeburt?
Eine Fehlgeburt (in der Medizin auch „Abort“ genannt) bezeichnet den Verlust einer Schwangerschaft vor der 24. Woche (Deutschland) beziehungsweise wenn das Baby nach Verlust ein Geburtsgewicht unter 500 Gramm hatte (Österreich). Besonders im ersten Trimester ist das Risiko erhöht – etwa 10-15% aller bekannten Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt. Somit ist etwa jede 7.- 10. Frau von einem solchen Schicksalsschlag betroffen. Die Dunkelziffer ist noch höher, da viele sehr frühe Fehlgeburten oft als verspätete Periode wahrgenommen werden. Etwa jede 3. Frau ist sogar von einem frühen Schwangerschaftsverlust betroffen.
Warum passieren Fehlgeburten?
Die Gründe sind sehr vielfältig und meist nicht beeinflussbar. Besonders im ersten Trimester liegt es häufig an einer spontanen genetischen Fehlentwicklung, die zufällig auftritt und nicht durch äußere Einflüsse verursacht wurde.
Mögliche Einflussfaktoren könnten sein:
· Genetische Faktoren und Alter
· Anatomische Ursache (Fehlbildungen der Gebärmutter)
· Hormonelle Störungen (Ungleichgewicht der Hormone)
· Gewisse Infektionen oder Vorerkrankungen
· Äußere Einflüsse, wie Rauchen, Alkohol, oder Ähnliches
Selbst mit modernen Untersuchungsmethoden bleibt ein Großteil aller Fehlgeburten ohne eindeutige Ursache oder völlig unerklärt.
Dennoch ist diese unklare Situation für viele Frauen und Familien sehr belastend und kann von Schuldgefühlen, Selbstzweifel, Wunsch nach Kontrolle, Trauer, Wut und unzähligen Fragen geprägt sein. „Was haben wir falsch gemacht? Was passt mit uns nicht? Warum passiert das gerade uns?“ Es ist wichtig zu wissen: Die allermeisten Fehlgeburten sind NICHT durch das Verhalten der Mutter verursacht!
Eine Fehlgeburt ohne erkennbare Ursache ist schwer zu verstehen – aber es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass sie in den meisten Fällen nichts über die Chancen einer zukünftigen gesunden Schwangerschaft aussagt. Eine Folgeschwangerschaft verläuft ein vielen Fällen völlig normal.
Kein Herzschlag was nun?
Nimm dir Zeit darüber nachzudenken, was für euch ein passender Weg ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie es nun weiter gehen kann. In den wenigsten Fälle ist Eile notwendig! Besprich dich dazu am besten mit der*dem Gynäkologin*en deines Vertrauens oder mit deiner Hebamme.
· Abwarten: Ist sonst alles unauffällig, so kannst du mal abwarten und regelmäßige Kontrollen vereinbaren. Häufig startet nach ein paar Tagen bis Wochen die kleine Geburt durch eine Blutung von selbst.
· Medikamente: Es ist auch möglich Medikamente verschrieben zu bekommen, um die kleine Geburt mit „Wehen“ einzuleiten
· Kürettage: Sollten sich medizinische Gründe ergeben, sich nach Abwarten doch nichts tun oder nach ausführlicher Erklärung dein Wunsch eine sofortige Beendigung der Schwangerschaft sein, so ist auch eine sogenannte Kürettage (unter Kurznarkose) möglich.
Grundsätzlich kann dann der Geburtsprozess in der Klinik oder zuhause (mit einer Hebamme) stattfinden. Lass dich unterstützen und bitte deine wichtigste(n) Vertrauensperson(en) dir zur Seite zu stehen. Nimm auch gerne die Möglichkeit eine Schmerztherapie an, wenn es die Situation gerade bedarf.
Was viele Eltern nicht wissen: Du darfst dein Baby nach der kleinen Geburt in den Arm nehmen, es anfassen, anschauen und auch fotografieren. Du hast zunächst noch etwas Angst davor? Wir Hebammen wickeln dein Baby auch gerne mal in eine süße Einschlagdecke und du kannst dich langsam nähern oder es auch einfach nur betrachten. Du darfst dir natürlich viel Zeit nehmen oder auch vorerst mal um Bedenkzeit bitten. Es gibt kein richtig oder falsch! Für den Trauerprozess kann es von großer Bedeutung sein, das Baby kennen zu lernen, zu betrachten oder in den Arm zu nehmen, um dann bewusst Abschied zu nehmen. Dennoch trauert jeder Mensch individuell, weshalb du auf deine eigenen Bedürfnisse hören und deinen eigenen passenden Weg des Abschieds wählen solltest.
Das „kleine“ Wochenbett
Nach einer Fehlgeburt ist es wichtig, auf Körper und Seele zu achten:
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Körperliche Schonung: Du befindest dich im „kleinen Wochenbett“. In deinem Körper passieren ebenso Rückbildungsprozesse. Daher ist nun Schonung angesagt inklusive viel Liegen, Schlaf und Zeit.
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Emotionale Unterstützung: Gespräche mit Partner*in, Freund*innen oder professionellen Berater*innen können erleichternd sein.
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Nimm dir Zeit… für dich selbst, nimm dir mal eine Auszeit, tue dir was Gutes und lass dich keinesfalls stressen. Gehe erst wieder zur Arbeit, wenn du dich bereit fühlst.
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Rituale: Nichts kann die Trauer nehmen, aber Rituale können helfen Trost zu finden, und symbolisch Abschied zu nehmen. Meine Empfehlungen: eine Kerze gestalten, ein Foto vom Baby ausdrucken, zu Hause ein Plätzchen für das Baby gestalten oder einem Brief an das verlorene Kind zu schreiben.
Trauer
Der Verlust einer Schwangerschaft kann tiefgreifende emotionale Spuren hinterlassen. Jede betroffene Person empfindet anders. Es gibt keinen „richtigen“ Weg zu trauern. Lass Gefühle zu! Trauer und Schmerz, Wut und Unverständnis, Erleichterung oder auch Schuldgefühle sind „normale“ Reaktionen nach einem Verlust.
Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene
Es gibt verschiedene Hilfsangebote, die Betroffenen im Trauerprozess helfen können:
· Sprich darüber! Mit wem auch immer es sich einfach gerade stimmig anfühlt. Du wirst überrascht sein, wie viele Menschen sich dann öffnen und erzählen werden, auch mal eine Fehlgeburt erlebt zu haben.
· Psychologische Begleitung kann im Trauerprozess helfen.
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Hebammenbegleitung – Hebammen stehen während und nach einer Fehlgeburt unterstützend zur Seite.
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Familie und Partner*innen einbeziehen – Auch sie trauern oft, zeigen es aber anders. Offene Kommunikation ist wichtig.
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Selbsthilfegruppen (z. B. „Sternenkinder“-Gruppen) bieten Austausch mit anderen Betroffenen.
Mein Tipp: Viele Infos und Unterstützung durch Hebammen in Österreich findest du beim Verein 12 Wochen unter www.12wochen.at , wo ich selbst Mitglied bin.
NEU! Mutterschutz in Österreich und Deutschland
Bislang hatten Frauen in Österreich und Deutschland nach einer Fehlgeburt keinen Anspruch auf Mutterschutz. Am 30. Januar 2025 beschloss der Deutsche Bundestag jedoch eine Reform des Mutterschutzgesetzes, die gestaffelte Schutzfristen für Frauen, die ab der 13. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, vorsieht.
In Österreich besteht nach einer Fehlgeburt grundsätzlich kein Anspruch auf Mutterschutz. Allerdings wurde eine Änderung eingeführt, die ab dem 1. September 2024 gilt: Bei einer Fehlgeburt nach Vollendung der 18. Schwangerschaftswoche haben betroffene Frauen und Familien Anspruch auf Hebammenbeistand. Während der gesundheitlichen Beeinträchtigung nach einer Fehlgeburt besteht, zudem die Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen.
Gesellschaftlicher Umgang mit einem Schwangerschaftsverlust
Leider wird über Fehlgeburten oft nicht gesprochen. Viele fühlen sich allein, weil das Thema tabuisiert wird. Doch der offene Austausch hilft, das Schweigen zu brechen und anderen Mut zu machen. Fehlgeburten sind kein persönliches Versagen – sie gehören zur Realität des Lebens.
Unsere Gast-Autorinnen
Esther und Sophie sind zwei Hebammen aus Österreich. Die gemeinsame Arbeit und Zeit in einer Wiener Klinik hat die beiden so sehr verbunden, dass aus Kolleginnen gute Freundinnen wurden. Anlässlich der Corona Pandemie und dem Umzug von Esther nach Linz, haben die beiden beschlossen, einen kompakten, aber umfangreichen online Geburtsvorbereitungskurs für werdende Eltern zu entwickeln und aufzunehmen.
Während Esther derzeit in einer Linzer Klinik zwischen Kreißsaal, Wochenbett und Ambulanz wechselt und auch Mama eines kleinen Sohnes ist, arbeitet Sophie noch im gleichen Krankenhaus in Wien im Kreißsaal und der Ambulanz, und studiert nebenher „Public Health“. Die beiden sind auch freiberuflich in der Schwangerenvorsorge und Wochenbettnachsorge in ihrer jeweiligen Umgebung tätig.
Die beiden Hebammen sind auch auf Instagram mit ihrem Account _informed.motherhood_ unterwegs, und ihren online Geburtsvorbereitungskurs findet ihr unter www.informed-motherhood.at.
